Autofokus stellt nicht scharf

“Meine DLSR Kamera stellt nicht auf den Punkt scharf, auf den ich im Sucher scharf gestellt habe”.
Wer eine DLSR besitzt und dieses Problem kennt, darf weiter lesen. Für alle mit spiegellosen Kameras ist dieses Thema nicht relevant (dürfen aber trotzdem weiter lesen).

Um zu verstehen, warum eine DLSR nicht immer scharf stellt, wenn man den Sucher (engl. View finder) verwendet, muss man verstehen, wie eine DLSR überhaupt funktioniert und was der Unterschied einer DLSR zu einer DLSM ist.

Was ist eigentlich DLSR und was ist DLSM?
Was beide gemeinsam haben, sind die ersten drei Buchstaben in der Bezeichnung.
DLS = “digital single lens”
Das “R” steht bei der Spiegelreflexkamera für “reflex”, weil hier das Licht umgeleitet oder “reflektiert” wird.
Das M bei steht hingegen für “mirrorless”, bezeichnend für den fehlenden Spiegel.

Warum aber kann es sein, dass eine DLSR nicht genau auf den Punkt scharf stellt, den ich angepeilt habe? Um dies zu verstehen, schauen wir uns die Funktionsweise einer DLSR genauer an.

Wenn wir durch den Sucher schauen, wird das Bild durch das Objektiv aufgenommen und über den Spiegel in den Sucher umgeleitet (reflektiert). Dabei ist der Spiegel unten, der Sensor ist somit abgedeckt und kann nicht für die Fokussierung verwendet werden. Also muss der Fokus auf einem anderen Weg gefunden werden.

Bild 1:Schematische Darstellung DLSR

Wenn das Bild durch den Sucher aufgenommen wird, ist der Spiegel nach unten geklappt, der Sensor ist verdeckt. Irgendwo unterhalb vom Spiegel ist der AF-Sensor angebracht, auf den das Bild umgeleitet wird und die Fokussierung übernimmt. Dieser kann nun seine Grundjustierung verlieren (die genauen Gründe dafür sind mir auch nicht bekannt, vermutlich durch Erschütterung, Wärmeeinfluss oder einfach durch normalen Gebrauch). Dies hat zur Folge, dass der AF nicht mehr richtig eingestellt wird.
Das Problem kann jedoch behoben werden. Wie das geht, erkläre ich weiter unten.

Bild 2: Schematische Darstellung beim auslösen

Wenn das Bild durch den Sucher gefunden ist und der Auslöser betätigt wird, klappt der Spiegel nach oben und das Bild wird vom Sensor aufgenommen (Bild 2). Zu diesem Zeitpunkt muss aber der Fokus bereits gesetzt sein.
Dass der Spiegel nach oben klappt, merkt man auch daran, dass man im Moment wo das Bild aufgenommen wird, das Bild im Sucher nicht mehr sichtbar ist. Bei normalen Aufnahmen ist das kaum erkennbar (1/125 Sek. oder schneller). Problematisch wird es, wenn mann zum Beispiel eine “Nachfahr-Aufnahme” von 1 Sekunde von einem vorbeifahrenden Auto macht. Ich kann nicht mehr erkennen, wo genau in Bezug auf mein Motiv meine Kamera aufnimmt.

“Langzeitaufnahmen oder Nachfahren immer mit dem Monitor aufnehmen”


Nachfahr-Aufnahmen mache ich grundsätzlich mit der Kamera in der Hand, durch den Monitor. So habe ich die Möglichkeit die Position der Kamera jederzeit im Bezug zum Bild zu erkennen.
Bei Langzeitaufnahmen verwende ich ebenfalls nur den Monitor. Der Grund hier ist aber, das Hochklappen vom Spiegel zu vermeiden, was unnötige Erschütterungen verursachen kann.

Wenn das Bild nun mit dem Monitor an stelle vom Sucher aufgenommen wird, ist der Spiegel immer oben (Bild 2). Der Sensor übernimmt das Einstellen vom AF.

Bild 2 entspricht in etwa dem Funktionsschema einer DLSM (ausser dass es kein zusätzlicher AF-Sensor gibt). Das Bild im Sucher kommt dabei von der Information, welche vom Sensor gelesen wird. Im Sucher befindet sich ein kleiner Monitor, der das Bild wiedergibt. Da es kein Spiegel gibt, der den Sensor abdeckt, kann der Sensor die AF-Funktion übernehmen

Wie gross die Unterschiede sein können, zeige ich euch am folgenden Beispiel.
Es sind zwei Aufnahmen, eine Aufnahme durch den Sucher (links), die zweite Aufnahme mit Monitor (rechts). Beide Aufnahmen unter den gleichen Bedingungen – Kamera auf Stativ, Referenz in gleicher Distanz, gleiches Objektiv und keine Veränderung vom Fokus zwischen den Aufnahmen.

Bild 3: Links durch Sucher, rechts Referenz mit Monitor. Brennweite 24mm
Bild 3: Links durch Sucher, rechts Referenz mit Monitor. Brennweite 70mm

Der Unterschied ist sehr deutlich zu erkennen.
Mir ist die Problematik bewusst geworden, als ich mit meinem 100mm Objektiv ein Porträt geschossen habe, mit offener Blende (f/2.8). Dafür habe ich auf die Augen scharf gestellt. Im Bild waren dann aber die Augen unscharf, der Fokus war auf der Nasenspitze.

Die Korrektur

Die Korrektur kann bei allen hochwertigen DLSR vorgenommen werden. Die folgenden Erklärungen und Bilder beziehen sich auf die Canon 5D Mark IV. Für andere Modelle muss das jeweilige Handbuch verwendet werden.
Für die Korrektur wird ein Prüfblatt benötigt. Das Prüfblatt kannst Du am Ende von diesem Artikel herunter laden.

Bild 4: Prüfblatt














Prüfblatt sollte in A3 gedruckt werden.

Für die Aufnahme vom Testblatt sollte folgendes berücksichtigt werden:

  • Stativ verwenden
  • Selbstauslöser
  • tiefen ISO-Wert
  • Bild im RAW aufnehmen
  • wenn jpg, Bild mit maximal möglicher Auflösung erstellen

Die Kamera auf dem Stativ montieren, das Testblatt flach, zum Beispiel an einer Wand befestigen. Abstand so wählen, dass das ganze Blatt im Bild ist (bei 24mm Brennweite ist die Distanz kürzer als bei 70mm).
Mit dem AF ein Bild durch den Monitor erstellen (das ist das Referenzbild) und ein zweites Bild durch den Sucher.
ist zwischen den beiden Bildern kein Unterschied zu sehen, kann hier gestoppt werden.
Bei Zoom Objektiv jeweils ein Satz Bilder mit dem kleinsten und grössten Zoom erstellen

Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf meine Kamera “Canon 5D Mark IV.
Andere Modelle von Canon können eine abweichende Menü-Struktur haben. Diese ist im jeweiligen Handbuch zu finden.
Auch andere Kamerahersteller bieten bei hochwertigen Kameras die Korrekturmöglichkeit vom AF an. Bitte dazu das entsprechende Handbuch zu rate ziehen

Justieren der Objektive

Wichtig: Bevor Du mit den Justierungen beginnst, je eine Aufnahme mit Sucher und Monitor erstellen. Bei Zoom Objektiven jeweils von der kleinsten und grössten Brennweite je eine Aufnahme.

Die Justierung muss für jedes Objektiv vorgenommen werden.
Im Menü AF “AF Feinabstimmung” wählen

  • Im Menu AF “AF Feinabstimmung wählen
  • Bild 5: AF Menü Feinabstimmung




    Jetzt “Abst. pro Objektiv” (Abstimmung pro Objektiv) wählen. Danach die INFO-Taste drücken

    Bild 6: Abstimmung pro Objektiv wählen




    Jetzt kann die Abstimmung vorgenommen werden. Bei einem Zoom Objektiv sind zwei Zeilen sichtbar. Eine für W (wide) und eine für T (Tele). Für beide Bereiche ist je eine Abstimmung notwendig.
    Wenn zum Beispiel “W” gewählt ist, die SET Taste drücken und mit dem Rad nach oben oder unten korrigieren. In welche Richtung und wie viel korrigiert werden muss, kann ich so nicht sagen. Hier gilt, mal in eine Richtung zu drehen, neues Bild erstellen und prüfen. Dann, wenn notwendig in die andere Richtung korrigieren und nochmals prüfen. Stimmt die Richtung, kann die feine Justierung vorgenommen werden. Zwischen jeder Veränderung immer ein neues Testbild schiessen und mit der Referenz vergleichen. Daher ist es auch wichtig, den ganzen Aufbau bis zum Schluss stehen zu lassen. Braucht Zeit, das Ergebnis ist die Zeit aber auch wert.

    Bild 7: Abstimmung pro Objektiv




    Obige Schritte müssen für jedes Objektiv individuell durchlaufen werden.
    Meine Kamera erkennt, welches Objektiv angeschlossen ist und nimmt sich dann die Korrekturwerte von dieser Einstellung

    Dass die Arbeit auch Sinn macht, ist am Testergebnis nach vorgenommener Korrektur klar zu sehen.

    Bild 8: Nach Korrektur Canon 24-70mm bei 24mm
    Bild 9: Nach Korrektur Canon 24-70mm, bei 70mm

    Die Korrektur selber zu machen, ist unkritisch. In Notfall kannst Du deine Einstellung wieder auf Null stellen.
    Falls Du eine grosse Abweichung hast, Dich aber nicht an das Thema traust, kannst Du auch zu einem Fachhändler gehen, welcher Dir die Justierung vornimmt.

    Das Sheet kann hier herunter geladen werden. Dabei ist zu erwähnen, dass es sicherlich noch andere Vorlagen gibt. Ich bin der Übergehung, dass dieses für den AF test ausreichend ist.


    Heute verwende ich den “SpyderLENSCAL” von datacolor.
    Der SpyderLENSCAL bietet mir vom Test her schon die Möglichkeit zu erkennen, in welche Richtung ich das Objektiv korrigieren muss um in etwa auch den Wert. Das erspart mir einige zusätzliche Aufnahmen gegenüber obiger Beschreibung.
    Natürlich, es ist eine zusätzliche, wenn auch nicht grosse Investition. Wenn Du nur ein Objektiv hast, dann ist obiger Weg der richtige.
    Wenn Du aber wie ich (ich habe 9 Objektive, viele davon Zoom) eine gewisse Anzahl an Objektiven hast, rechnet sich die Investition allemal, da die Zeiteinsparung nicht unerheblich ist. Ich gehe mit der gewonnen Zeit lieber wieder raus zum fotografieren.

    SpyderLENSCAL findest Du bei datacom unter folgendem Link:

    https://www.datacolor.com/photography-design/product-overview/spyderlenscal/

    Bild 10: SpyderLENSCAL von datacolor

    Viel Spass beim Testen wünscht euch
    Dom von domshots.com

    (c) dominik egloff – domshots.com
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